Restaurationen

Gemälde von Francesco Solimena

Im ersten Halbjahr 2009 wurden zwei bedeutende Gemälde von Francesco Solimena aus der Sammlung der Galleria dell’Accademia restauriert. Wir hatten die Möglichkeit den Fortgang der Restaurierungsarbeiten im suggestiven Laboratorio della Misericordia  persönlich zu verfolgen und konnten dank der  zuvorkommenden Bereitschaft der zuständigen Mitarbeiterinnen  interessante Erkenntnisse gewinnen. Bevor die Bilder an ihren angestammten Platz  zurückkehrten, wurden sie im Rahmen einer bedeutenden kulturellen Veranstaltung in der Galleria dell’Accademia ausgestellt: Wir deuten das als eine indirekte Würdigung unseres finanziellen Engagements.

Die Darstellungen der beiden Gemälde beziehen sich auf biblische Episoden (Genesis, 24 und  28/29). Abraham möchte für seinen Sohn Isaak eine Frau aus seiner fernen Heimat, ist aber zu alt um die Reise selber zu unternehmen und beauftragt deshalb seinen treuen und vertrauten Grossknecht Eleazar. Dieser bricht auf nach Mesopotamien in die Stadt Nahors und lagert am Brunnen an dem die Mädchen der Stadt Wasser schöpfen. Einzig Rebekka bietet ihm und seinen Kamelen Wasser und Unterkunft an: das ist das Zeichen, dass sie die Auserwählte ist. Das Gemälde REBEKKA UND DER KNECHT ABRAHAMS beschreibt dieses glückliche Zusammentreffen. Auch Isaak entsendet seinen Sohn Jakob nach Mesopotamien um eine Tochter Labans, Rebekkas Bruder,  zur Frau zu nehmen. In der Gegend  seiner Ahnen, auf freiem Feld, findet Jakob einen Brunnen der durch einen grossen Stein zugedeckt ist. Unter den Hirten befindet sich auch Rahel, die Tochter Labans. Jakob gibt sich zu erkennen und  entfernt den Stein um die Herde seiner Angehörigen zu tränken. Das Gemälde JAKOB UND RAHEL bezieht sich auf diese Szene.

Im 1743/44 veröffentlichten Werk  VITE DE' PITTORI, SCULTORI, ED ARCHITET-TI NAPOLETANI  liefert Bernardo De Dominici eine eindrückliche Beschreibung  vom Leben und Schaffen von Francesco Solimena (Nocera de’Pagani 1657–Barra 1747). Wir erfahren so, dass er seit seiner Jugendzeit keinerlei Anlass zu Ärgernis weder beim Spiel noch in unerlaubten Liebschaften gab, dass er gerne einfache Kleidungen klerikaler Art trug (was ihm gemeinhin den Spitznamen Abate ciccio – dickerlicher Abt – eintrug) und dass er, ausser einer kurzen Reise nach Rom, Neapel und Umgebung nie verliess. Nicht desto trotz erlangte er einen anhaltenden, auch im Zeitverlauf nicht verblassenden grossen Ruhm und umfassenden Anerkennung. Seine Werke befinden sich weltweit in bedeutenden Museen und Privatsammlungen. In seiner langjährigen Tätigkeit befasste er sich erfolgreich auch mit Poesie und Architektur  und verwandelte sein Atelier in eine eigentliche Akademie, aus der zahlreiche begabte Künstler hervorgingen. Diesen wird allerdings von einigen modernen Kritikern vorgeworfen, die Entwicklung der neapolitanischen Malerei durch eine allzu strenge Anlehnung an die Schemas des Meisters auch nach dessen  Tod gehemmt zu haben.

Was den Stil von Solimena anbelangt ist seine  Ausbildung im Atelier des Vaters Angelo zu erwähnen, bei dem er kurzzeitig arbeitet. Einmal selbständig geworden wird seine Ausdrucksweise reifer mit vielen emotionalen Anregungen und lebhaften Farben, vorerst getreu dem überschwänglichen  Barock von  Luca Giordano, einer hervorragenden Persönlichkeit der damaligen neapolitanischen Schule, den er allerdings allmählich mildert um sich vermehrt auf eine straffe Komposition und eine saubere Zeichnung zu konzentrieren mit einem ausdrücklichen Hinweis auf die klassische Tradition. In dieser Phase lehnt er sich an Mattia Preti und dessen leidenschaftlichem hell-dunkel Aufbau an, was ihm erlaubt, die szenische Wirkung und die plastische Expressivität seiner Figuren zu steigern. Im letzten Abschnitt seines Schaffens kehrt er dann zurück zu seiner jugendlichen Darstellungsweise und übernimmt typische barocke Elemente womit er sich wiederum gegen die nun herrschende Stilrichtung wendet.

Solimenas venezianische Gemälde gehören durch die lebhaften Lichtkontraste , die Kompaktheit der Formen  und die Ausgewogenheit der Volumen zu seinen besten  Werken. Sie entstanden  um 1770 für die Baglionis, eine wohlhabende  im  Druckerei-, Typografen- und namentlich im Verlagswesen von liturgischen Büchern (Messbücher, Breviere, Choralbücher  und ähnliches), tätigen Familie  und blieben bis zum Erwerb durch den italienischen Staat 1920 im Familienbesitz. De Domenici erwähnt die Familie ausdrücklich  und erwähnt  “im Hause der Baglioni bewundert man das wunderbare Gemälde der sich vom alten Vater verabschiedenden Rahel“. Das in der Tat bemerkenswerte Gemälde  befindet sich jetzt im Museum Fesch in Ajaccio. Allerdings ist dem Biografen ein Fehler unterlaufen, handel es sich doch nicht um Rahel’s Verabschiedung sondern um jene von Rebekka. Gemäss der biblischen Erzählung flieht nämlich Rahel mit ihrem Mann von zuhause ohne sich zu verabschieden;  zudem ist eine der dargestellten Personen mit der eigenartigen militärischen Bekleidung  als Abrahams Grossknecht am Brunnen wiederzuerkennen.

Die Fotografien der Gemälde sowie die Unterlagen der Restaurierungsarbeiten sind freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden von Soprintendenza Speciale per il Patrimonio storico, artistico ed etnoantropologico e per il Polo Museale della citta di Venezia e dei comuni della Gronda lagunare.

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