Mocenigo Denkmal
Etwas abseits vom grossen Touristenstrom gelegen, an einem Kanal der zum Stadtrand führt befindet sich die Kirche San Lazzaro dei Mendicanti, in einem unauffälligen, leicht zu übersehenden Gebäude versteckt hinter den Mauern des Spitalkomplexes Ospedale dei SS Giovanni e Paolo. Ist die Kirche aber einmal gefunden überrascht sie mit dem ausserordentlich bemerkenswerten, Alvise Mocenigo gewidmeten Grabdenkmal, ein Jugendwerk des aus Morcote stammenden Giuseppe Sardi (1624–1699).
Durch die Vielfalt der verwendeten Marmore und deren überschwänglichen Bearbeitung, durch den Detailreichtum und die Einzigartigkeit des ikonographischen Projekts sowie die ungewohnten Ausmasse gehört dieses 1657 begonnene Denkmal zweifellos zu den Meisterwerken des venezianischen Barocks.
Allerdings haben die besonderen atmosphärischen Bedingungen der Lagune mit ihrer sehr hohen salzigen Feuchtigkeit und den unerbitterlich verschmutzenden Witterungseinflüssen die Marmore aus dem 17ten Jahrhundert stark in Mitleidenschaft gezogen, sie mit einer hartnäckigen Schmutzschicht bedeckt und die so sorgfältig und geschickt ausgeführten Reliefs teilweise geradezu pulverisiert, sodass verschiedentlich auch Teilstücke abfielen.
Der Hilferuf der Sopraintendenza stiess bei Pro Venezia auf offene Ohren: in einer ersten Phase finanzierte sie die unumgänglichen Analysen zur diagnostischen und archivistischen Bestandsaufnahme um den Zerfall beziehungsweise die Konservierung des Bauwerks zu erfassen um in einer zweiten Phase, in enger Zusammenarbeit mit dem UNESCO Büro für Venedig die eigentliche Restaurierung des Denkmals, die 2004 beendigt wurde, zu finanzieren. Hier die einzelnen Schritte der ausgeführten Arbeiten:
1. Diagnostische Voruntersuchungen
- Fotogrammetrie: Zweidimensionale Erhebung zur genauen Bestimmung der Masse des Reliefs, eine Voraussetzung um Umfang und Schwierigkeit der Restaurierung festzustellen und Grundlage für alle weiteren Untersuchungen.
- Video und Foto: zur Dokumentation der Ausgangslage
- Georadar Erforschung: dient der Erforschung der Zusammensetzung des Materials, ohne dieses anzugreifen, um innere Beschädigungen, zum Beispiel der Metallstifte und der Verankerungen zu lokalisieren.
- Chemo-physische Untersuchungen: Durch kleine Stichprobenentnahmen wurde der prozentuale Anteil löslicher Salze erfasst. Die Analyse ergab einen hohen Anteil durch die Erwärmung der Kirche kristallisierter Salze (Chlorure) namentlich im unteren Teil des Denkmals, die zu einer Pulverisierung oder gar einer Loslösung der steinernen Elemente führte. Die äussere Fassade hingegen wies eine dicke und hartnäckige Schicht Verschmutzung und namentlich Taubenmist auf mit einer sehr korrosiven Wirkung auf das Gestein.
2. Restaurierung
- Vorkonsolidierung: Die am meisten von Zerfall gefährdeten Teile wurden mittels einer Harzschicht vor einer weiteren Beschädigung während der Restaurierungsarbeiten geschützt.
- Reinigung: Zur Schmutzentfernung – Guano, Kerzenrauch – wurden Waschungen mit deionisiertem zerstäubtem Wasser vorgenommen, beziehungsweise bei besonders hartnäckigem Schmutz Packungen mit Ammoniumbikarbonat angewendet.
- Entfernung von Mörtelrückständen früherer Eingriffe.
- Stuckatur mit zum Gestein passender gleichartiger Masse.
- Entfernung der löslichen Salze mit Packungen von in deionisiertem Wasser getränktem Papier und anschliessende Waschung.
- Entfernung der alten Patina durch Packungen von Lösemitteln beziehungsweise Absorber.
- Konsolidierung, je nach Zustand durch Silikonmischungen oder Injektion von Epoxidharz und Ersatz der alten Metallstifte durch neue Inoxstahl-Stifte.
- Pflege und Wartung der Holz- und Glasteile.
- Verlegung, an der äusseren Fassade, einer Taubenschutzanlage.
Wer ist Alvise Mocenigo? Weshalb ist Giuseppe Sardi der Architekt?
Tommaso Luigi (venezianisch: Alvise) Mocenigo (1583–1654) entstammt aus einer angesehenen Patrizierfamilie, die Venedig sieben Dogen, verschiedene Botschafter und unzählige Prokuratoren von San Marco gegeben hat. Dank seiner Erfolge in Seeschlachten bekleidet er ein besonders prestigeträchtiges Amt, jenes des Capitano Generale da Mar, das heisst Führer der venezianischen Flotte. In der Tat ist er zwischen 1648 und 1651 die Hauptfigur in der Schlacht um Candia (heute: Kreta) gegen die Türken und zur Verteidigung der venezianischen Festungen im östlichen Mittelmeer.
Kurz vor seinem Tod veranlasste er in seinem Testament, dass ein Denkmal errichtet werden soll, damit „das Gedächtnis jener, die der Serenissima gedient haben auch die Nachwelt veranlasse ihr weiterhin zu Dienste zu sein“. Die Testamentvollstrecker werden 1657 durch die Kongregation des Ospedale dei Mendicanti ermächtigt, in deren Kirche San Lazzaro ein Denkmal zu Ehren ihres Vorfahren zu errichten und erteilen Giuseppe Sardi den Projektierungsauftrag. Weshalb diese Wahl? In jenem Jahr ist Sardi erst gerade mal 33 Jahre alt aber ganz bestimmt schon „maestro di bottega“ (in etwa: Inhaber einer Werkstatt) und Gastaldo (in etwa: Verwalter) oder Präsident der Zunft der Steinmetz und Architekten und arbeitet bereits am Denkmal Cavazza in der Kirche Madonna dell’Orto. Dieser neue Auftragt bekräftigt das in Sardi gesetzte Vertrauen und gewährleistet, ein dem Ruhm der Familie würdiges Werk zu realisieren. Gekonnt nutzt Sardi die Doppelfassade aus, die den Vorhof von der eigentlichen Kirche trennt, um in einer Art Triumphbogen die Taten des Mocenigo und seine bürgerlichen und moralischen Tugenden zu preisen und gleichzeitig auch die Beleuchtungsproblematik durch zwei seitliche Öffnungen zu lösen.
Alle Statuen im Relief des Denkmals sind aus Carrara-Marmor während die mächtigen Säulen, welche die Szenografie unterteilen aus grünem Marmor sind, einer dunklen Farbe, die oft mit dem Totenkult in Verbindung gebracht wird. An der Aussenfassade erinnert ein Flachrelief mit Festungen von Candia und Gedenkinschriften an die ruhmvollen Taten des Mocenigo während im Innern Statuen der Tapferkeit und Besonnenheit sowie des Capitano da Mar selber, in imponierender Haltung über der Aschenurne der Nachwelt die Würde des in See- und Feldschlachten erfolgreichen Mocenigo in Erinnerung rufen, mit detaillreichen und pittorischen Darstellungen der Schlachten, die als bestimmendes Element einzigartig dastehen in ganz Venedig.
Der Erfolg des Mocenigodenkmals war dermassen anhaltend, dass zwanzig Jahre später, 1678 ein anderer Capitano da Mar, der adlige Venezianer Antonio Barbaro wiederum den inzwischen allseits anerkannten Architekten Giuseppe Sardi beauftragt, ihm ein Grabdenkmal zu setzen und ihm dazu eine ganze Kirchenfassade zur Verfügung stellt: jene von Santa Maria del Giglio die 1996 ebenfalls durch Pro Venezia vollständig restauriert worden ist.