Restaurationen

Die Chorbücher von San Marco

In Zusammenarbeit mit Save Venice Foundation (New York) und Venice in Peril Fund (UK) ausgeführtes Projekt

 

Das Chorbuch ist ein grosses handgeschriebenes Notenbuch, das im Mittelalter und vor allem in der Renaissance von den Chören in den Kirchen verwendet wurde. Es war auf einem hohen, breiten Lesepult angebracht, so dass es von allen Singenden gelesen werden konnte: in der ersten Reihe des Chors standen die Knabenstimmen, während die Männer in den nächsten Reihen angeordnet waren, um allen eine gute Sicht auf den Text zu ermöglichen. Aus diesem Grund musste das Chorbuch gross sein und erreichte in einigen Fällen ein Mass von 51 x 68 cm im aufgeschlagenen Zustand. Ebenso wurde jede Zeile und jede Note in grossen, auffälligen Lettern gezeichnet; die Seiten waren oft reich verziert und mit Miniaturen ausgeschmückt.

Die Chorbücher mit mehrstimmiger Musik der Cappella ducale di San Marco -die 2014 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden- aus der zweiten Hälfte des 17. bis zu den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts sind im Historischen Archiv des Patriarchats von Venedig aufbewahrt. Diese sehr wichtige Dokumentation stellt den grössten Teil der erhaltenen Sammlung alter Musik der Cappella Marciana dar. Sie zeigt ein mehrstimmiges A-cappella-Repertoire, das die Sänger auf dem pulpitum magnum sangen, d.h. dem sechseckigen Chorgestühl im Hauptschiff der Basilika, sangen, wie es von Canaletto in «Musici che canta nella Chiesa Ducal di San Marco in Venezia» dargestellt wurde.

 

 

Im Jahr 2015 wurden 18 handschriftliche Chorbücher dank der Finanzierung durch die Schweizerische Stiftung Pro Venezia, die Save Venice Foundation und den Venice in Peril Fund restauriert. Die Konservierungsarbeiten umfassten das Auftrennen und Wiederzusammensetzen von Einbänden und die Verstärkung von geschwächten und gerissenen Seiten und Einbänden unter Verwendung von Textilfasern und japanischem Karton.

Anschliessend wurden diese Chorbücher Gegenstand eines internationalen Forschungsprojekts mit dem Titel «The Sound of St. Mark's», dessen Ergebnis die Veröffentlichung eines digitalen Katalogs war, der von der Multimedia-Plattform «Venetian Music Online» der Universität Ca' Foscari erstellt wurde und der Musikgeschichte Venedigs und seiner Gebiete gewidmet ist. Dieses multimediale Portal wurde im open-access-Modus mit der kritischen Transkription aller Kompositionen und einiger Fragmente entwickelt. Die Transkription und Vertonung der Musik aus den «codici marciani» wurde von Prof. Luigi Collarile durchgeführt, der auch an den Universitäten Freiburg und Basel lehrt. Die Initiative wurde in Zusammenarbeit mit der „Basilica Cattedrale di San Marco“, dem historische Archiv des Patriarchats von Venedig und dem Schweizerischen Nationalfonds durchgeführt, der die Archivrecherche und die Herstellung der digitalen Reproduktionen der Manuskripte finanzierte.