Vom Notfall zum kulturellen Projekt

Am 3. und 4. November 1966 wurde Venedig von einer ausserordentlich gewaltigen Flutwelle heimgesucht welche die Fragilität der Lagune und des historischen Stadtzentrums auf dramatische Weise blosslegte: das andauernde Hochwasser lähmte jegliche Tätigkeit; Telefonlinien, Stromleitungen, Wassernetz, Verkehr alles wurde für längere Zeit unterbrochen. Wohnungen und Geschäfte im Erdgeschoss wurden gründlich verwüstet, zahlreiche Gebäude und Denkmäler aufs Schwerste beschädigt und arg in Mitleidenschaft gezogen.


 

 

In dieser Situation wandte sich UNESCO  mit einem dringenden Aufruf an die internationale Gemeinschaft und forderte sie auf, die  zum Schutz der Stadt zuständigen Behörden tatkräftig und solidarisch zu unterstützen. Viele Nationen folgten spontan diesem Aufruf und auch die Schweiz erklärte sofort ihre Bereitschaft zur Unterstützung. Der Schweizerische Bundesrat (Landesregierung) errichtete deshalb unsere Stiftung und mobilisierte die öffentliche Meinung um die für einen ersten dringenden Beitrag notwendigen Mittel aufzubringen.

Bald zeigte es sich jedoch, dass es mit einem dringenden Soforteingriff  bei weitem nicht getan war. Venedig benötigte und benötigt immer noch eine dauernde Unterstützung zur Wahrung eines immensen Kunst- und Kulturgutes welche  eine Unmenge an Mitteln und Energien erfordern, die Venedig allein nicht  aufbringen kann. Alvise Zorzi, ein angesehener und engagierter venezianischer Historiker formuliert es sehr treffend: „Diese in der Tat einzigartige Stadt bringt es fertig, nicht nur Sympathie für abendliche Serenaden und Gondeln zu erwecken sondern auch leidenschaftliche, aktive und kämpferische Zuneigung, ja sogar  Liebe zu erzeugen. Ein Mythos der Seinesgleichen sucht.“. Der Einsatz der Nationen der ersten Stunde ist nicht abgeklungen und auch unsere Stiftung  hat mit  unverändertem Elan ihre ursprüngliche Tätigkeit weitergeführt und die Verwirklichung der gesteckten  Ziele erfolgreich verfolgt.

Bei der Auswahl der zu restaurierenden Werke versuchen wir stets die kulturellen Beziehungen zwischen Italien und der Schweiz zu unterstreichen und zu festigen  indem wir vorwiegend Projekte finanzieren, die von Schweizer Architekten oder Künstlern geschaffen wurden oder anderweitig eine Beziehung zur Eidgenossenschaft aufweisen. In der Tat sind schon im 15ten Jahrhundert Schweizer Handwerker in Venedig urkundlich erwähnt. Stuckateure, Steinmetze und Bildhauer, vor allem aus der Gegend südlich der Alpen, rund um die Seen, kamen schon früh nach Venedig, angezogen  durch die vielseitigen Arbeitsmöglichkeiten welche wohlhabende Auftraggeber aber auch die Serenissima selber  boten, um durch öffentliche, private oder religiöse Bauten Glanz und Ruhm auch weitherum sichtbar zu machen. Unter diesen einfachen Handwerkern stachen oft mehrere hervorragende Künstler und Architekten hervor, die mit ihren Werken wesentlich zum Kulturgut  von Venedig vom Quattrocento bis weit über das Settecento hinaus beitrugen.

Nach erfolgter Restaurierung unterlassen wir es nicht  die Werke gebührend  aufzuwerten zum Beispiel und namentlich bei den grösseren Restaurierungen   durch die Veröffentlichung historisch-wissenschaftlicher  Abhandlungen. Wir unterstreichen auch immer die Notwendigkeit des Unterhalts  der  Werke, eine Notwendigkeit, die in einer mannigfaltigen  Einflüssen ausgesetzten Stadt wie Venedig besonders wichtig ist und auf welche wir  erstmals anlässlich eines durch unsere Stiftung im Herbst 2007 veranlassten Symposiums hingewiesen  haben. Da den Worten auch Taten folgen sollen haben wir nach der Finanzierung  der Restaurierung der Fassade von Santa Maria del Giglio nicht nur eine vielbeachtete Veröffentlichung finanziert, sondern auch die Kosten der Anlage übernommen, welche die Tauben vom Kunstwerk fern halten sollen: wesentlich in einer „Tauben“Stadt wie Venedig!

Erwähnenswert ist ferner der Umstand, dass im Jahr 2010,  anlässlich der Restaurierung des Portale die Carmini erstmals Studenten der Studienrichtung „Restaurierung“ die Möglichkeit geboten wurde, tatkräftig und konkret an den Arbeiten auf einer Baustelle in Venedig teilzunehmen. Dank unserer Initiative kam eine internationale Zusammenarbeit zustande zwischen  dem Istituto Veneto per i Beni Culturali (Institut für Kulturgüter Venedig) und der Fachhochschule SUPSI (Scuola Universitaria della Svizzera Italiana) wodurch „schweizerische“ und „italienische“ Studenten erstmals gemeinsam auf dem Baugerüst der Kirche arbeiten konnten.

Das tatkräftiges Engagement des Schweizerischen Bundesrates und der entsprechende Einsatz unserer Stiftung zur Erreichung des Stiftungszweckes sind nicht unbemerkt geblieben und durch zwei bedeutende Anerkennungen belohnt worden. 1980 verlieh das Ateneo Veneto unserer Stiftung den Premio Torta 1980 nachdem schon 1976  die Fondazione del Centenario (Jubiläumsstiftung) der Banca della Svizzera Italiana  unserer Stiftung den Preis für 1976 zugesprochen hatte.