Gemälde von Paolo Pagani
Das wachsende Interesse sowohl für lombardische Maler des 17. und 18. Jahrhunderts allgemein als auch für die Migration der aus dem Voralpengebiet und der Region der Seen stammenden Künstler im besonderen veranlasste 1998 die Pinacoteca Giovanni Züst in Rancate (Mendrisio) und die Galleria Civica von Campione d’Italia eine dem Maler Paolo Pagani gewidmete monographische Ausstellung zu organisieren um namentlich die Ergebnisse neuerer Forschungen über die Wiederentdeckung dieses Künstlers öffentlich zugänglich zu machen. Die Kuratoren der Ausstellung unterbreiteten uns den Vorschlag, den wir gerne angenommen haben, zwei sich in Venedig im Portego von Palazzo Salvioni befindende Gemälde zu restaurieren und so für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen.
Bei den Gemälden handelt es sich um dramatische biblische Episoden, in welche die beiden Söhne Abrahams verwickelt sind: HAGAR UND ISMAEL IN DER WÜSTE, beziehungsweise DAS OPFER ISAAKS.

In der ersten Episode (Genesis 21.9) verursacht der von Abraham mit der Sklavin Hagar gezeugte Jüngling Ismael die Eifersucht von Sara, die in ihm einen Rivalen ihres Sohnes Isaak sieht. Die Beiden werden fortgeschickt, sie irren in der Wüste herum, drohen zu verdursten doch Gott hört ihr Weinen und sendet einen Engel, der sie zu einem Brunnen führt und so erfüllt sich das Wort, wonach Ismael der Erzvater eines grossen Volkes wird.
Die zweite Episode (Genesis 22.1) erzählt die Geschichte von Isaak, Saras Sohn und einziger leiblicher Erbe Abrahams. Dieser befolgt eine Weisung Gottes und ist bereit, den einzigen Sohn als Brandopfer darzubringen. Doch als Abraham seine Hand mit dem Messer ausstreckt um den Sohn zu schlachten schickt Gott, der den Gehorsam von Abraham anerkennt, seinen Engel und gebietet ihm Einhalt. An Stelle des Sohnes bringt Abraham einen Widder als Opfer dar.
Die beiden ovalen Gemälde unterstreichen sehr gut Paganis antiakademischen Stil. Die grossräumige und entschlossen Zeichnung, die Freiheit in der Komposition, die Ausrucksintensität der Gesten kennzeichnen ihn als einen der originellsten Vertreter des europäischen Hochbarocks.

Paganis Biographie stellt das Profil einer starken, unkonventionellen Persönlichkeit dar . Geboren wird er 1655 in Castello Valsolda, im Hinterland des nördlichen Luganersees. Erst gerade zwölf jährig wandert er nach Venedig aus wo sich seine Spuren und vor allem Hinweise auf seinen künstlerischen Werdegang verlieren bis er überraschend aber flüchtig als Drucker auftaucht und in den siebziger Jahren Radierungen des Malers und Graveurs Giuseppe Diamantini veröffentlicht. Danach taucht sein Name erst 1685 wieder in einem Register auf, erstmals als Mitglied einer Zunft der alle Maler die ihre künstlerische und kunsthandwerkliche Tätigkeit korrekt ausüben wollten angehören mussten und die beauftragt, war im Namen des Collegio della Milizia da Mar die persönlichen Beiträge einzukassieren. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Pagani während zwei Jahrzehnten ein Schattendasein fristete, sozusagen ein Künstler ohne Beglaubigungspapiere, ein Steuerhinterzieher der lediglich im Geheimen für private Auftraggeber, meistens aus der aufsteigenden, auf dem Festland niedergelassenen Aristokratie tätig war. Somit sind die Gemälde von Palazzo Salvioni die einzigen Zeugen seiner Tätigkeit in der Lagunenstad, die auf das Ende dieser Periode zurückgeht.
1686 heiratet Pagani und reist vier Jahre später mit der Familie nach Zentraleuropa (inzwischen ist ein Sohn geboren) in Begleitung eines jungen Studenten, Antonio Pellegrini (1675–1741) der später international erfolgreich sein wird. In den folgenden sieben Jahre wird dem Künstler aus der Valsolda verschiedentlich Anerkennung zuteil, er ist in Österreich, Moldau und Polen tätig und wird zu einem der ersten Protagonisten einer Stilrichtung, die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts geschichtlich wegweisend ist. An den Fürstenhöfen der sich in Nordeuropa nach dem westfälischen Frieden bildenden Staaten verbreitet sich sehr schnell der Ruhm der venezianischen Künstler, die in unterschiedlichen Bereichen profiliert sind: Landschafstmaler, Portraitisten, Dekorateure Bühnenmaler werden bewundert und gesucht ähnlich wie die ebenso im Trend liegenden italienischen Opernsänger. Diese von Königen und Fürsten umworbenen "fahrenden Maler", meistens Künstler aus der venezianischen Schule, beherrschen während einigen Jahrzehnten die enetbirgische Kulturszene.
Nach der Rückkehr bleibt Pagani in seinem Heimatdorf, wo er zwischen 1696 und 1697 auf eigene Rechnung ("di sua propria mano") im gesamten Gewölbe der Martins Kirche ein Fresko malt, das eine eigentliche Synthese und Zusammenfassung seiner gesamten Berufstätigkeit und –erfahrung darstellt. Gleichzeitig realisiert er in Chiasso, in der Pfarrkirche, das Gemälde „Martyrium von San Vitale“. Später verlagert er seine Aufmerksamkeit zunehmend nach Mailand , wo er den gleichnamigen aber nicht verwandten einflussreichen Sammler und Diplomaten Marquis Cesare Pagani kennen lernt. Dieser vermittelt ihm wichtige Aufträge und Unterstützungen namentlich für die Ausführung von zwei grossen Altarbildern in der Kapuzinerkirche von Chiusa d’Isarco (Bolzano) und für einige private Gemälde für Adlige. Dennoch fällt es Pagani schwer sich zu durchzusetzen, sodass er nach dem Tod seines Gönners allein dasteht und in Schwierigkeiten gerät. Er stirbt in Mailand am 5.Mai 1716.

Die Fotografien der Gemälde sind freundlicherweise durch die Geschäftsleitung von Ca' Salvioni zur Verfügung gestellt worden
www.casalvioni.it