Restaurationen

Marmorstatue von Tommaso Lombardo

1997 wird in der Kirche San Sebastiano  in Dorsoduro die zweite Kapelle auf der rechten Seite restauriert. Ihr Ursprung geht auf  die Mitte des 16ten Jahrhunderts und gemäss einer Wandinschrift auf die Absicht von Melio da Cortona zurück,  seinem gleichnamigen Vorfahren, einem heldenhaften, im Kampf gegen die Franzosen gefallenen venezianischen Infanterieoffizier, ein Denkmal zu setzen.

Das wichtigste Element dieser Kapelle ist eine Marmorgruppe  von Tommaso  Lombardo welche  die MUTTERGOTTES MIT DEM KIND UND DEM KLEINEN HL. JOHANNES darstellt. Obwohl der Künstler auch unter dem Namen Tommaso da Lugano bekannt ist bleiben seine Herkunft, sein Geburts- und Todesort unbekannt. Gewissheit besteht lediglich über seine Anwesenheit in Venedig zwischen 1536 und 1567. Obwohl sein Übername – da Lugano – eine Beziehung zu Lugano sehr wahrscheinlich erscheinen lässt, kann mit ebenso grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass es sich um eine verwandtschaftliche Beziehung zu der gleichzeitig ebenfalls in Venedig tätigen Künstlerfamilie der Lombardo aus Carona (bei Lugano) handelt. In der Biografie von Jacopo Sansovino zählt Vasari (1511–1574) Tommaso Lombardo zu dessen Schülern und erwähnt „…er hat mit dem Meissel und zusammen mit vielen Anderen zahlreiche Figuren in der San Marco Bibliothek gemachtund zwar sehr schöne. Später, nachdem er von Sansovino fortgegangen ist, hat er alleine Unsere Mutter mit dem Kind im Arm und dem kleinen Hl. Johannes zu Füssen geschaffen, drei Figuren die so schön sind in ihrer Form, Haltung und Ausdruck, dass sie ohne weiteres zu all den anderen schönen und modernen Statuen gehören, die sich in  Venedig befinden. Sein Werk befindet sich in der Kirche San Bastian“ Auch Jacopos Sohn, Francesco Sansovino, „ein Mann der schönen literarischen Werke, der Justiz und der Menschlichkeit“ erwähnt diese Skulptur in seinem Werk VENETIA CITTÀ NOBILISSIMA ET SINGOLARE und beschreibt sie wie folgt: „In der zweiten (Kapelle) wurde von Tommaso Lombardo Unsere Mutter in Marmor gemeisselt, nachgebildet der Jungfrau des Sansovino welche sich befindet in der kleinen Nische in Piazza.“

 

San Sebas

 

Zwar wird das Werk noch öfters in kunstgeschichtlichen Abhandlungen und Kulturführern erwähnt, allerdings meistens in einer nicht sehr  schmeichelhaften Art lediglich als Anlehnung an die Skulptur von Sansovino. Auch für seine Skulptur  des Hl. Hieronymus in der Kirche San Salvador, dem einzigen noch vorhandenen und eindeutig Tommaso Lombardo zugeschriebenen Werk erhält er keine bessere Würdigung. Obwohl ihm eine überdurchschnittlich gute technische Geschicktheit nicht abgesprochen werden kann, scheinen seine künstlerischen Verdienste in keinem Verhältnis zu seinem Bekanntheitsgrad zu stehen, der wohl durch die langjährige Tätigkeit bei einem berühmten und anerkannten Meister wie Sansovino bestimmt ist. Letztendlich ist es allerdings schwierig zu glauben, dass sich ein Kritiker wie Vassari lediglich aus Ehrerbietung gegenüber Sansovino zur Aussage veranlasst sah, eine von Tommaso Lombardo geschaffene Büste von Karl V als wunderbar zu beschreiben und zu erwähnen,  dass diese  vom Kaiser selber sehr positiv aufgenommen worden ist. Eine ähnliche Bewunderung löste  auch eine inzwischen ebenfalls verschollene  Christusstatue aus Marmor aus. Sie war in der teilweise demolierten und nun als Schulgebäude benutzten  Kirche Santa Giustina  aufbewahrt.

Zweifellos  sind inzwischen Kunstsinn und Kritikkriterien geändert und mit grosser Wahrscheinlichkeit würde heute den Werken von Tommaso Lombardo eine andere Würdigung zu kommen. Schreibt doch Vasari unter anderem: „.. er vergnügte sich weit mehr mit Stuckarbeiten aus Gips als mit Marmor oder Bronze. So stammen von ihm zahlreiche sehr schöne Figuren aus diesem Material, die den Wohnsitz vieler Adliger schmücken.“ Von dieser Tätigkeit fehlt uns leider jegliche Kenntnis aber es ist nicht auszuschliessen, dass eingehendere Forschungen diese Lücke mit erfreulichen Überraschungen schliessen können.

Die vergoldete Terracottastatue die als Modell für die Skulptur von Tommaso Lombardo gedient hatte wurde schwer beschädigt aus den Trümmer des Kirchturms von San Marco nach dessen Einsturz vom 14. Juli 1902 geborgen und in geduldiger Arbeit zusammengesetzt, allerdings ohne die Figur des kleinen Hl. Johannes. Dadurch ist die im Museum der Basilika aufbewahrte Gruppe unvollständig und namentlich die Geste der Hand der Madonna sinnlos.