Portal von Santa Maria del Carmelo
Ein Spaziergang durch Venedig führt nicht selten zum belebten Platz Campo Santa Margherita wo der Seiteneingang der Kirche Santa Maria del Carmelo (vulgo: Carmini) die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er wird überragt von einer ungewohnten überhängenden Überdeckung, einem kühn gebauten steinernen Säulenportal wo reiche Friesdekorationen und Opferschalen ein faszinierendes Bestiarium darstellen. Aber nur wenige Schritte weiter besticht das auf den ersten Blick renaissanceartig anmutenden Hauptportal in der einst verputzten und nur durch eine schlichte Rosette und fünf Statuen verzierten Hauptfassade. Das aus Istria Stein gebaute Portal besteht aus zwei Halbsäulen und eckigen Lisenen in raffinierter ionischer Anordnung die auf einem hohen Sockel ein ausgezacktes Gebälksystem in rotem Marmor (die einzige Farbnote) sowie eine Ädikula mit unterbrochenen Ziergiebeln tragen. Im Zentrum des Portals befindet sich eine freistehende Statue Muttergottes mit Kind . Die Fassade wird, nebst verschiedenen Auslegungen, Sebastiano Mariani da Lugano zugeschrieben. Derselbe galt, mangels besserer Informationen, bis vor Kurzem auch als Autor des Portals, dessen Restaurierung durch die Sopraintendenza per i Beni architettonici e paesaggistici di Venezia e Laguna in ihrem alljährlich der Vereinigung der Privaten Komitees unterbreiteten Verzeichnis angeregt wurde.

Angesichts dieser durch die dannzumal vorhandenen und die regelmässig im Vorfeld einer Restaurierung erarbeiteten Untersuchungen bekräftigten Erkenntnisse und getreu dem Leitfaden, Werke in Venedig zu restaurieren, die einen Bezug zur Schweiz haben, entschloss sich Pro Venezia, die Finanzierung zu übernehmen. Erst im Laufe der Arbeiten stellte es sich dann heraus, auch bedingt durch Verwechslungen mit Namensgleichheiten, dass Mariani da Lugano als Autor des Portals auszuschliessen ist. In der Tat konnte seine Urheberschaft vor allem durch die archeologischen und stilistischen Untersuchen ausgeschlossen werden, denn obwohl das Portal klassizistische Aspekte hat, wurde es erst im Nachhinein, ungefähr im ersten Dezennium des 16ten Jahrhunderts eingefügt. Aufschlussreich für eine genauere Datierung und Zuweisung ist der ebenfalls durch Pro Venezia finanzierte Band von Emanuela Zucchetta „Il portale della chiesa di Santa Maria del Carmelo a Venezia, Ipostesi costruttive ed interventi di restauro“.Obwohl entsprechened originale Unterlagen noch fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass als Autor Francesco Contini in Frage kommt. Sprössling einer zahlreichen Luganeser Familie, war er in jenen Jahren sowohl innerhalb der Kirche am Foscarini Denkmal als auch ausserhalb derselben, in der nahen Kirche Angelo Raffaele tätig. Für unsere Stiftung eine ergänzende Kenntnis des fruchtbaren Wirkens von Tessiner Künstlern in Venedig.
Nebst der Datierungs- und Zuweisungsproblematik bestand das Hauptinteresse natürlich in der Instandsetzung des Portals, das zwar keine schwerwiegende Zerstörungen, aber eine ganze Reihe typischer Zerfallserscheinungen aufwies, teilweise durch die besonderen klimatischen Bedingungen hervorgerufen, teilweise auf unachtsames menschliches Verhalten, lies Graffiti zurückzuführen waren. Angesichts dieser Tatsache entschloss sich die Stiftung, die Restaurationsarbeiten auch auf den Sockel und die beiden Seitenfenster auszudehnen: das Gesamtbild wird dadurch einheitlicher und harmonischer für die ganze Fassade.
Ein weiterer interessanter Aspekt war die Möglichkeit, dank des effektiven Zerfallzustandes, Jugendliche, die sich in beruflicher Ausbildung befinden in die Restaurationsarbeiten einzubeziehen. Das war ein lange gehegtes Anliegen der Stiftung und wurde durch die zuständige Soprintendenza unterstützt und autorisiert. Die Stiftung bemühte sich, dass dabei sowohl schweizerische Studenten als auch jene einer lokalen Fachschule berücksichtigt wurden: ein fruchtbarer Kontakt und eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Istituto Veneto per i Beni Culturali (IVBC) und Konservierungs- und Restaurationskurs der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI) und ein unvergessliches menschliches und professionelles Erlebnis sowohl für Studenten als auch Dozenten, das weitergeführt wird und gute Früchte trägt. Im bereits erwähnten Band über die Restaurierung wird diesem Kapitel, nebst detaillierten Betrachtungen über Zerfall und Instandsetzung, besondere Beachtung geschenkt.


Allerdings konnten nicht sämtliche Arbeiten den Jugendlichen überlassen werden. Die Soprintendenza befand nämlich, dass namentlich die Instandsetzung des durch unterschiedliches Flickwerk arg und gut sichtbar in Mitleidenschaft gezogenen Mauerwerks einer Fachfirma übertragen werden sollte.
Abschliessend sei noch erwähnt, dass die externen Instandsetzungsarbeiten auch im Kircheninnern eine Fortsetzung fanden, wo das Grabmal von Giuseppe Sardi, einem aus Morcote stammenden bedeutenden Vertreter des venezianischen Barocks und dessen Sohn einer Restaurierung unterzogen wurde.